„Und mittendrin die Kinder“ – Die Situation von Kindern in Familien mit Suchtbelastung

Der 15. Mai ist von den Vereinten Nationen zum „Internationalen Tag der Familie“ ernannt worden. An diesem Tag werden aktuelle Anliegen von Familien in den öffentlichen Fokus gerückt. Gerade Familien mit Suchtbelastung haben besondere Bedarfe und benötigen Beratung und Unterstützung.  

Wir wissen, dass Kinder, die in Familien mit Suchtbelastung aufwachsen, psychischen Belastungen ausgesetzt sind und ein höheres Risiko haben, später selbst an einer Sucht zu erkranken. Die Suchterkrankung eines Elternteils beeinflusst die Entwicklung, das soziale Verhalten und das Wohlbefinden der Kinder in der Regel negativ. 

Ist ein Familienmitglied von einer Suchterkrankung betroffen, hat dies immer auch einen Einfluss auf die anderen Familienmitglieder, ähnlich wie bei einem Mobilé: Wird ein Element in Schwingung versetzt, beginnt das ganze Mobilé mitzuschwingen. Jedes einzelne Familienmitglied versucht, sich auf die eigene Art und Weise an die Dynamiken in der Familie anzupassen.

Wir schauen auf die Situation der Kinder: Welche Belastungen erleben die Kinder im täglichen Zusammenleben innerhalb ihrer Familie?

Es ist festzustellen, dass es häufig drei ungeschriebene Gesetze gibt, die das Leben in einer suchtbelasteten Familie prägen:

Rede nicht!

Es darf mit niemandem außerhalb der Familie über das gesprochen werden, was in der Familie vor sich geht. Nach außen soll das Bild der „heilen“ Familie aufrechterhalten werden. Themen wie Sucht oder psychische Erkrankungen sind tabuisiert – und werden, aus vielen verschiedenen Gründen, als ein gut gehütetes Familiengeheimnis mitgetragen, das alle spüren aber niemand benennen darf. Die Kinder lernen, ein Lügengebäude aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Eine Folge kann z.B. sein, dass die Kinder niemanden ihrer Freund*innen nach Hause einladen oder ihre sozialen Kontakte stark einschränken.

Vertraue nicht!

Versprechen von Eltern(-teilen) mit Suchtbelastung werden aufgrund ihrer Erkrankung immer wieder gebrochen, mit der Folge, dass die Kinder sich im Stich gelassen fühlen. Eine Schlussfolgerung kann sein, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen können. Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen, fällt ihnen aufgrund dessen tendenziell eher schwer.

Das Verhalten der Eltern weist – je nach Substanz und Konsumverhalten – oft extreme Schwankungen auf. Innerhalb kürzester Zeit können die Kinder erst Zuwendung und dann Abweisung erleben. Durch diese besonderen Familiendynamiken eignen sich die Kinder häufig Copingstrategien an, um sich der Situation zu Hause möglichst gut anpassen zu können: Wie geht es Mama heute? Hat sie gekocht? Muss ich mich kümmern? Muss ich ruhig sein? Ziehe ich mich besser zurück? Ist heute ein „guter Tag“?

Wechselhaftigkeit und Widersprüchlichkeit prägen häufig den Alltag.

Fühle nicht!

Die Erfahrungen der Kinder Zuhause lösen häufig starke Emotionen von Wut, Trauer, Angst und Scham aus. Gleichzeitig wollen oder sollen sie ihre Gefühle unterdrücken, um nach außen ein unauffälliges Familienbild aufrechtzuerhalten. Solch widersprüchliche Situationen können Kinder überfordern und ein Gefühl von Druck, Scham und Angst, oft auch Wut und Hilflosigkeit auslösen. Als Folge ziehen sich einige Kinder völlig zurück, andere reagieren aggressiv, wieder andere wirken nach außen völlig unauffällig und übernehmen die Rolle der Erwachsenen in der Familie. All diese Aspekte tragen dazu bei, dass die kindlichen Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt sind.

Wichtig ist es uns hervorzuheben, dass auch Menschen mit einer Suchterkrankung verantwortungsvolle Eltern sein wollen und können. Die primäre Erziehungsverantwortung liegt bei den Eltern, daher ist es wichtig, diese Verantwortung im System Familie zu stärken und zu unterstützen. Hierbei ist es wichtig zu lernen, Hilfen anzunehmen, Scham- und Schuldgefühle zu überwinden, die Verantwortung für sich selbst und die Familie zu übernehmen und sich der Erziehungsverantwortung gegenüber den eigenen Kindern zu stellen.

Was braucht es also?

Die Familien mit Suchtbelastung benötigen Beratung, Begleitung und Stärkung ihrer Ressourcen und Kompetenzen. Es braucht aufeinander abgestimmte, nachhaltige, stigmafreie und wertschätzende Hilfen aller Akteur*innen im Hilfesystem, in dem alle Familienmitglieder ihren Platz finden, mit einer differenzierten Wahrnehmung auf jede Familie.

Queers und Substanzgebrauch – Wir wollen mehr wissen und brauchen Unterstützung!

Queere Menschen sind in der Suchthilfe oft unsichtbar – es fehlen Daten, die ihre spezifischen Bedürfnisse abbilden. Deshalb führen wir derzeit eine Bedarfsabfrage durch. Unser Ziel: besser verstehen, welche Unterstützung queere Menschen brauchen, um passgenaue Angebote und Zugänge zu schaffen.

Die Ergebnisse sollen uns helfen, Lücken zu erkennen und die Suchthilfe inklusiver sowie sensibler zu gestalten.

Gendersensible Suchtarbeit ist essenziell, weil gesellschaftliche Diskriminierung, Minderheitenstress und fehlende Anlaufstellen das Risiko für problematischen Substanzgebrauch erhöhen können. Eine Suchthilfe, die diese Faktoren berücksichtigt, kann Zugänge für alle erleichtern.

🌈Wir freuen uns sehr, wenn Sie unsere Bedarfsumfrage verbreiten und auf Social Media teilen.

Der Fachtag „Queer – Sucht – Selbsthilfe“ bot uns vergangenen Freitag und Samstag eine tolle Möglichkeit, die Umfrage erstmals vorzustellen. An dieser Stelle noch einmal ein großes, herzliches Dankeschön an SHALK NRW für diese Möglichkeit und den tollen Fachtag! 💜

Meldet Sie sich gerne bei uns, wenn wir euch Material zum Auslegen oder für Social Media zukommen lassen dürfen!

Unser Text für Social Media:

Mach mit! 💡 Queer & Substanzkonsum – Wir brauchen deine Stimme!

Queere Menschen erleben in der Suchthilfe oft Barrieren – doch was fehlt genau? Wir von der Landesfachstelle Familie, Geschlechtervielfalt und Sucht BELLA DONNA wollen das herausfinden und führen eine Umfrage durch. Deine Erfahrungen und Perspektiven helfen uns Lücken zu erkennen und die Suchthilfe inklusiver zu gestalten. Gemeinsam schaffen wir Sichtbarkeit & Veränderung.

👉 Nimm jetzt teil & hilf mit, passende Angebote zu schaffen!

Teilen erwünscht! 🏳️‍🌈💜

belladonna-umfrage.de

Verbreitung hochpotenter synthetischer Opioide

Im Anhang leiten wir Ihnen eine Warnmeldung zu Todes- und Intoxikationsfällen mit wahrscheinlicher Beteiligung von synthetischen Opioiden in Bayern weiter. Bitte beachten Sie, dass bisher nur ein Teil dieser Fälle toxikologisch bestätigt ist (fett gedruckt). Wir haben uns dennoch und trotz der bisherigen Beschränkung der Meldungen auf Bayern für die Weiterleitung entschieden, da unwahrscheinlich ist, dass nur bayerische Konsumierende die Substanzen über Online-Shops beziehen. 

Wir möchten noch einmal unterstreichen, dass bei einer Intoxikation mit hochpotenten synthetischen Opioiden häufig mehrere Gaben von Naloxon notwendig sind, um die Überdosierung aufzuheben.

Basierend auf den bereits aus Bremen gemeldeten Fällen von mit Nitazenen versetztem Heroin scheint außerdem für Drogenkonsumräume angeraten, Konsumierende darum zu bitten, nach Konsum mind. 15 Minuten auf dem Gelände zu bleiben. In Bremen setzten die bis zur Atemdepression gehenden Symptome teils mit dieser Verzögerung ein. Der Wirkmechanismus ist zurzeit unbekannt.

Sollten Ihnen Intoxikations- oder Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Opioiden bekannt werden, bitten wir Sie um eine kurze Meldung an news-projekt@ift.de 

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. 

Herzlichen Dank und viele Grüße

das NEWS-Team
National Early Warning System

IFT Institut für Therapieforschung gGmbH 

Leopoldstr. 175
80804 München
Telefon +49 89 36 08 04-0
Telefax +49 89 36 08 04-19
E-Mail: news-projekt@ift.de

Feministischer Kampftag 2025: Widerstand gegen den Rückschritt

Der 8. März 2025 ist nicht nur ein Tag des Feierns feministischer Errungenschaften, sondern auch ein Tag des Widerstands. Wir stehen an einem kritischen Punkt der Geschichte: Der Rechtsruck in vielen Teilen der Welt, im Besonderen in Deutschland, zeigt deutlich, dass das Patriarchat gerade mit aller Kraft zurückschlägt. Erkämpfte Rechte, die als selbstverständlich galten, werden infrage gestellt oder sogar zurückgenommen. Statt eines Fortschritts erleben wir vielerorts einen besorgniserregenden Rückschritt. Seit den Wahlen am 23.Februar ist klar: der Bundestag wird mit 2/3 Männern besetzt sein. Einer von ihnen Friedrich Merz, der mit der Aussage „Wir tun den Frauen damit keinen Gefallen.“  Kritik hervorruft. Hierbei bezieht er sich auf Frauen in Führungspositionen.

Besonders schmerzhaft ist, dass der Paragraph 218, der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland kriminalisiert, weiterhin besteht. Trotz jahrzehntelanger feministischer Kämpfe wurde er nicht abgeschafft – ein klares Zeichen dafür, dass der Körper der Frau immer noch Gegenstand staatlicher Kontrolle ist. Dies verdeutlicht einmal mehr, dass die Selbstbestimmung über den eigenen Körper auch 2025 keine Selbstverständlichkeit ist.

Doch feministische Kämpfe hören hier nicht auf. In vielen Bereichen, in denen Frauen und marginalisierte Gruppen besonders vulnerabel sind, muss der Kampf weitergehen – so natürlich auch in der Suchthilfe. Gendersensible Suchtarbeit ist ein essenzieller, aber oft übersehener Bestandteil feministischer Politik. Frauen und queere Menschen erleben andere Formen von Substanzkonsum, leben in anderen (vulnerableren) Lebensrealitäten und haben andere Bedürfnisse in der Therapie. Doch patriarchale Strukturen sorgen immer noch dafür, dass ihre spezifischen Probleme nicht ernst genug genommen werden. Wir fordern eine feministische Gesundheitspolitik und kämpfen damit für eine gendersensible Suchthilfe.

Wenn das Patriarchat zurückschlägt, dann auch, weil es sich bedroht fühlt. Jede Bewegung erzeugt eine Gegenbewegung. Unsere Erfolge haben Angst ausgelöst – Angst vor einer Welt, in der Gleichberechtigung keine bloße Utopie ist, sondern Realität werden kann. Das ist unsere Hoffnung und unser Antrieb: Wir sind viele, wir sind laut und wir werden nicht aufhören zu kämpfen. Der feministische Kampftag 2025 ist nicht nur ein Tag des Gedenkens – er ist ein Aufruf zum Widerstand.

COA-Aktionswoche

Im Jahr 2025 findet wieder die COA-Aktionswoche statt, um Kindern aus Familien mit Suchtbelastung eine Stimme zu geben, dieses Mal unter dem #ICHWERDELAUT (siehe https://coa-aktionswoche.de/).

Jedes fünfte bis sechste Kind in Deutschland wächst mit einem Elternteil mit Abhängigkeitserkrankung auf. Das sind insgesamt drei Millionen Kinder und Jugendliche, wobei davon auszugehen ist, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Ihr Risiko, selbst eine Abhängigkeitserkrankung oder eine andere psychische Krankheit zu entwickeln, ist um ein Vielfaches erhöht. Viele Kinder erleben Verunsicherung und Vernachlässigung, was nachhaltigen Einfluss auf ihre emotionale und soziale Entwicklung nehmen kann. In den betroffenen Familien wird oft nicht über die Erkrankung gesprochen, aus Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung.  

Mit der COA-Aktionswoche 2025 vom 16. bis zum 22. Februar soll den Kindern und ihren Familien eine Stimme gegeben werden. Zahlreiche bundesweite Aktionen sollen dazu beitragen, für das Thema zu sensibilisieren und über die Auswirkungen auf das Familiensystem zu informieren. Alle Einrichtungen, Initiativen, freie Träger, Projekte aus der Jugend- und Suchthilfe bzw. der Sucht-Selbsthilfe und ihre Verbände sind dazu eingeladen bei der bundesweiten Aktionswoche mitzumachen. 

Die Beratungsstelle BELLA DONNA ist ebenfalls dabei: In Essen findet ein kreatives Frühstücksangebot für betroffene Frauen mit ihren Kindern statt. 

Und auch das Landesprogramm KIPS Prävention NRW, finanziert vom GKV-Bündnis für Gesundheit und dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen bleibt nicht leise: Unvermindert setzt sich das Landesprogramm für die Kinder und Jugendlichen ein und fördert zahlreiche resilienzstärkende Gruppenangebote quer durch NRW. Die veröffentlichten Ergebnisse der Evaluation von KIPS Prävention NRW zeigen, dass die Angebote wirken.

Was nun gebraucht wird? Eine Stimme für die Kinder und ihre Familien und eine nachhaltige und gesicherte Finanzierung, bundesweit und flächendeckend! Denn eins steht fest: Eltern mit einer Abhängigkeitserkrankung wollen und können gute Eltern sein.

Neues Gewalthilfegesetz – Schutz für viele, aber nicht für alle?

Am Freitag, den 31. Januar 2025, hat der Bundestag das Gewalthilfegesetz verabschiedet. Dieses Gesetz setzt dringend notwendige Maßnahmen zur Prävention und zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt um. Es etabliert einen gesetzlichen Anspruch auf Beratung und Schutz vor Gewalt und sichert mit einem Budget von 2,6 Milliarden Euro bis 2036 die finanzielle Unterstützung von Frauenhäusern und Beratungsstellen bundesweit. Während frühere Entwürfe explizit auch trans, inter und nicht-binäre Personen (TIN*) berücksichtigten, beschränkt sich die endgültige Fassung des Gesetzes auf Druck der CDU-Fraktion darauf, nur cis-Frauen und Kinder als besonders schutzbedürftig zu benennen.

Wir begrüßen ausdrücklich diese längst überfällige Maßnahme zur Prävention und Bekämpfung häuslicher Gewalt sowie die erweiterte Unterstützung für Betroffene. Angesichts der anhaltend hohen Zahl von Femiziden und antifeministischen Straftaten ist dieser Schritt nicht nur notwendig, sondern überfällig. Allerdings ist es realitätsfern und fachlich nicht nachvollziehbar, dass trans, inter und nicht-binäre Personen als schutzbedürftige Zielgruppen aus dem Gesetz ausgeschlossen wurden.

Jahresempfang der Suchtkooperation NRW: Gemeinsam für eine starke Prävention

Der Jahresempfang der Suchtkooperation NRW bot eine Plattform für Austausch, Vernetzung und die Präsentation der vier Landesfachstellen. In festlicher Atmosphäre im Maxhaus in Düsseldorf wurden Grußworte von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, sowie Burkhard Blienert, Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, gesprochen. Herr Blienert, Schirmherr des MOVE-Programms, nutzte den Abend für ein persönliches Gespräch, um sich über den aktuellen Stand zu informieren.

Fortbildung „Schwangerschaft und Substanzkonsum“ zertifiziert

Seit einigen Jahren bietet die Landesfachstelle Familie, Geschlechtervielfalt und Sucht BELLA DONNA eine Fortbildung zum Thema „Schwangerschaft und Substanzkonsum und die Auswirkungen auf das ungeborene und gestillte Kind an“.

Seit Januar 2024 ist diese als geeignete Fortbildungsmaßnahme im Rahmen
der HebBO NRW mit 4 berufsaufgabenbezogenen Fortbildungsstunden gemäß §7 HebBO
NRW anerkannt.

Inhalte sind die Lebenssituation Substanzkonsumierender Schwangerer und verschiedene Substanzen und deren Auswirkungen auf das ungeborene und gestillte Kind.

Abschlussbericht KIPS Prävention NRW

Das Landesprogramm „KIPS Prävention NRW“ hat seinen Abschlussbericht veröffentlicht. Seit Mai 2021 wurden in Nordrhein-Westfalen nachhaltige Angebote zur Stärkung der Resilienz von Kindern psychisch kranker und suchtkranker Eltern entwickelt und umgesetzt. Ziel war es, eine langfristige und kontinuierliche Verbesserung der Prävention und Gesundheitsförderung für diese besonders belastete Zielgruppe zu gewährleisten.

Der Abschlussbericht fasst die Ergebnisse und Erfahrungen der vergangenen vier Jahre zusammen und bietet wertvolle Einblicke in die Wirksamkeit der implementierten Maßnahmen. Er dient als wichtige Grundlage für zukünftige Entscheidungen und Maßnahmen zur Unterstützung betroffener Kinder und Jugendlicher in NRW.

Weitere Informationen und der vollständige Bericht sind hier verfügbar.